Konzentriert, mit verengten Augen, beobachtet Pierre Alain Schnegg die Maschine. «Pffffff» – plötzlich spritzt ein Wasserstrahl mit seiner ganzen gebündelten Kraft aus der Düse.
Langsam trennt der Strahl die in der Anlage eingespannte Platte. Schnegg schreckt zurück und lacht auf. «C’est impressionnant», ruft er aus – «das ist beeindruckend».
Der Berner Regierungspräsident ist zu Gast bei der Waterjet AG in Aarwangen. Zuvor hat er bereits die Createch in Langenthal besichtigt, am Nachmittag geht es weiter zur Firma Ophardt in Niederbipp. Schnegg stattet den Oberaargauer Unternehmen im Rahmen seines Präsidialjahres einen Besuch ab.
Ein 2,6 Millimeter kleines Velo
Waterjet-Geschäftsführer Walter Maurer führt den hohen Gast durch seinen Betrieb. Dieser ist deutlich grösser, als er es von aussen vermuten lässt.
Das sei derzeit umso mehr ein Vorteil, sagt Maurer: «Wir können die Abstände problemlos einhalten.» Im ersten Produktionsraum ist Präzisionsarbeit gefragt, hier wird in Bereichen von Mikrometern
gearbeitet. Ein Mitarbeiter zeigt ein Plättchen, auf dem ein 2,6 Millimeter kleines Abbild eines Fahrrades eingeschnitten wurde.
Der Regierungspräsident nickt anerkennend. Immer wieder richtet er Fragen direkt an die Mitarbeitenden. «Soll ich es Ihnen in Mundart oder Hochdeutsch erklären?», fragt einer von ihnen. «Sie können wählen», erwidert Schnegg, und alle lachen.
Der Gesundheitsdirektor interessiert sich für die medizinischen Produkte. Walter Maurer zeigt Klappen, die für die Luftsteuerung in Beatmungsgeräte eingesetzt werden. Ein junger Mann arbeitet konzentriert an feinen Titanplatten. Daraus entstehen Implantate für Tiere – je nach Grösse für Pferde, Hunde oder andere Vierbeiner.
Pierre Alain Schnegg schlendert in seinem blauen Anzug durch die Produktion, immer wieder beugt er sich über die Geräte und Tische. Das Geräusch von rauschendem und blubberndem Wasser ist ständiger Begleiter auf dem Rundgang. Weiter geht es in eine grosse Halle, wo an die 15 Maschinen stehen. Auch die grösste 3-D-Wasserstrahlschneidanlage der Schweiz hat hier ihren Platz. Es ist laut. Schnegg versucht den Ausführungen von Walter Maurer zu folgen, der zwischen Schriftsprache und Mundart hin und her wechselt.
Pierre Alain Schnegg wurde Anfang Juni zum Regierungspräsidenten des Kantons Bern gewählt. In seinem Präsidialjahr stattet der Bernjurassier allen zehn Verwaltungskreisen einen Besuch ab. Auf Stippvisite war er bereits in seiner Heimatregion und in Biel. Nun also ist der Oberaargau an der Reihe. Er sei beeindruckt von der Kreativität und dem technischen Flair, die hier vorhanden seien.
Der Oberaargau erinnere ihn zuweilen an seine Heimat. Nicht nur, weil beide Verwaltungskreise absolute Grenzregionen des Kantons seien – sondern auch, weil beides Industrieregionen seien. «Die Industrie ist hier offenbar sehr wichtig und breit abgestützt», sagt er. Leider, so Schnegg weiter, werde diesem Sektor nicht immer der gebührende Respekt entgegengebracht.
Durch die Krise
So dankt der Regierungspräsident auch Walter Maurer für seine Leistung und die Arbeit
seiner Leute. Nach dem Rundgang sitzen Schnegg und seine Eskorte mit dem Geschäftsführer an einen Tisch zusammen. Der Regierungspräsident breitet seine Mappe aus und nimmt einen Stift zur Hand.
«Mich würde interessieren, wie Sie die Corona-Krise überstanden haben», sagt er an den Geschäftsführer gerichtet.
Waterjet sei gut durch die Krise gekommen, erwidert Mauer. Aufträge habe man weiterhin erhalten, wenn die Zahl auch stetig abgenommen habe. «Dass nicht dringende Operationen verschoben wurden, bekamen wir zu spüren», sagt er. Und die Uhrenindustrie sei komplett eingebrochen. Doch man sei gut aufgestellt, habe finanzielle Reserven und keine Schulden. «Ich lebe nach dem Prinzip: Kauf dir nur, was du auch direkt bezahlen kannst», sagt Maurer. «Eine gute Einstellung», meint der Regierungspräsident.
Umgekehrt will Walter Maurer von Schnegg wissen, wie er das Coronavirus einschätzt. Der Regierungspräsident lehnt sich im Stuhl zurück, seine Worte wählt er mit Bedacht. «Der Spitzenwert im Kanton Bern betrug kürzlich 60 Fälle pro Tag – auf gut eine Million Einwohner.» Verhältnismässig sei das nicht viel – und trotzdem dürfe man nicht alle Massnahmen über den Haufen werfen. «Es ist ein ständiges Abwägen», sagt Schnegg. Schliesslich soll das Gesundheitssystem nicht überlastet werden und man wisse nicht, wie sich die Zahlen ohne jegliche Massnahmen und Einschränkungen entwickeln würden. «Man muss aber auch verstehen, dass die Menschen leben wollen», sagt der SVP-Mann.
Eines steht für den Vorsteher der Berner Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion aber schon fest: «Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.» Firmenbesuche wie der in Aarwangen seien wichtig, um zu spüren, was im Kanton laufe. Der Austausch helfe ihm beim Treffen anstehender Entscheidungen.
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